Autor: Dr.Ing. Eberhard Treufeld
Dies war die erste Eigenentwicklung im WTZK. Von 1973 bis 1980 wirkte die Erdölkrise empfindlich auf die Wirtschaft aller europäischen Länder. In der DDR wurde ein brachialer Sparkurs angeordnet. Deshalb wurden mit großem Druck administrativ alle möglichen Maßnahmen zur Kraftstoffeinsparung umgesetzt, teilweise bis ins Absurde gehend. So wurden z.B. Lkw mit Holzgas, wie sie unmittelbar nach dem Krieg aufkamen wieder supermodern. Auch das WTZK und verschiedene Kombinatsbetriebe hatten sich ernsthaft damit befasst, solche „Holzgaser“ nach zu entwickeln und zu bauen. Und natürlich wurden dringend Kraftstoffverbrauchsmesser gebraucht. Das WTZK traute sich, einen solchen zu entwickeln. Da war viel Naivität und Unerfahrenheit dabei, aber es gab auch großes Engagement. Es war vor allem nicht klar, welche Schwierigkeiten es bereitete, eine Onboard-Messung an Dieselfahrzeuge zu realisieren.
Informationen zu Fahrzeuge mit Holzgasantrieb finden Sie hier unter
› https://www.wikiwand.com/de/Holzgas
Entwicklung des Kraftstoffverbrauchsmessers KVM 1
In der Ingenieurschule für Verkehrstechnik Dresden wurde ein Prototyp auf der Basis des bekannten Flügelradmessers vorgestellt. Dabei wurde das Flügelrad vom Kraftstoffstrom über eine tangential zum Flügelrad angeordnete Düse angetrieben. Im Gehäuse befand sich eine Lichtschranke, die durch den Kraftstoff leuchtete und durch im Flügelrad vorhandenen Schlitze Impulse erzeugte. Eigene Messungen ergaben eine sehr gute Linearität der Impulsfrequenz zum Durchfluss und sehr gute Empfindlichkeit. Vorteilhaft war der einfache Aufbau. Es stand die Aufgabe, daraus ein serientaugliches Kraftstoffverbrauchsmessgerät für den Einsatz in Personen- und Güterkraftwagen zu entwickeln. Die Entwicklung erfolgte von 1979 bis 1980. Sie sollte sehr große Probleme bereiten.
Entwicklungsablauf
1978 bis 1980 Angewandte Forschung, Ratiomittelproduktion
Leitung: Dipl.Ing. Eberhard, Treufeld, Dipl.Math. Joachim Dummer,
Produzent: VEB Schienenschleif- und Schweißtechnik Bad Lausick
Kooperationspartner: VEB Funkwerk Erfurt und Militärakademie Dresden
Der Kraftstoffsensor sollte aus Kunststoff im Spritzguss hergestellt werden. Dazu wurden 4 Spritzwerkzeuge benötigt. Die Realisierung war ein fast unmögliches Unterfangen und konnte nur durch Kompensationsgeschäfte realisiert werden. Lehrgeld kostete auch die Werkstoffauswahl für Gebergehäuse und Flügelrad. Polyäthylen (PE) erwies sich nicht als kraftstoffbeständig. Polyamid war beständig aber es hatte hygroskopische Eigenschaften und führte zum Quellen. Letztlich wurde das sehr beständige ABS eingesetzt. Der Geber wurde in 2 Größen realisiert: für kleinere Durchflüsse für Pkw Benzin und größere für LKW mit Diesel.

Foto: E.Treufeld, Kopie aus Beitrag VESK- Veröffentlichung 1980
Das Flügelrad war an einer Unruhewelle aus der Uhrenindustrie befestigt und im Gehäuse spitzengelagert. Erkennbar sind die 4 Schlitze, die die Lichtschranke unterbrach und so die Impulse erzeugte.
Für Fahrzeuge mit Ottomotoren funktionierte es recht gut.
Ein sehr großes Problem war die Einbindung in das Dieselkraftstoffsystem. Die obere Abbildung zeigt, dass der von den Elementen der Einspritzpumpe zu viel geförderte Kraftstoff über Druckventil und eine Rücklaufleitung zum Tank geführt wird. Um eine Messung zu ermöglichen musste die Rücklaufleitung vor der Messeinrichtung kurz geschlossen werden. Dies führte aber zu erheblichen Druckschwankungen und zu Erwärmung des Kraftstoffs. Es wurden sehr umfangreiche Versuche am Einspritzpumpenprüfstand an der Militärakademie durchgeführt.

Foto: Dr. E. Treufeld
Bei Druckschwankungen kam es zu Schwingungen und zur intermittierenden Drehbewegung des Fügelrades. Am Düsenaustritt kam es gelegentlich zu Dampfblasenbildung (Kavitation) die zum Stillstand des Flügelrades führte. So entstanden erhebliche Messfehler. Zur Abhilfe wurde ein 2-Kammer-Dämpfglied mit Luftpolster aus Stahlblech entwickelt. Allerdings war die Wirkung letztendlich nicht befriedigend.

Zeichnung: E.Treufeld, Kopie aus VESK-Veröffentlichung 1980
Der Kraftstoffverbrauch sollte als absolute Größe in Liter und der Durchfluss als Momentanverbrauch angezeigt werden. Dazu wurde die Anzeigeeinheit KVM Zusammen mit Mitarbeitern der Applikationsabteilung im VEB Funkwerk Erfurt entwickelt.

Zeichnung: E.Treufeld, Kopie aus VESK-Veröffentlichung 1980
Das Gerät wurde ab Oktober 1980 im VEB Schienenschleif- und Schweißtechnik Bad Lausick in Serie produziert. Während der Flügelradgeber mit Momentanverbrauchsanzeige massenhaft in PKW Wartburg und Trabant eingesetzt wurde, hat sich der Einsatz in Dieselfahrzeugen nicht durchgesetzt. Das Problem lag primär bei der Einbindung in das Dieselkraftstoffsystem. Der Kurzschluss der Rückleitung verursachte die starken Schwingungen und eine Erwärmung des Diesels wegen fehlender Kühlung.
Ein Lösungsansatz wäre der Einsatz von 2 Durchflussgebern: Ein Geber im Hauptstrom und ein Geber im Rücklauf. Die Impulse im Rücklaufgeber werden von denen im Hauptstrom subtrahiert. Es bedurfte keinen Eingriff in das Kraftstoffsystem durch Kurzschluss des Überdrucksystems und die normalen Druckschwankungen hätten leichter kompensiert werden können. Leider ist es zu weiteren Untersuchungen und Weiterentwicklung nicht mehr gekommen.
Wichtige Erkenntnisse ergaben sich aus der Entwicklung:
- Flügelradsensor sind prinzipiell als Sensoren für den Kraftstoffverbrauch geeignet. Vorteilhaft sind die sehr gute Empfindlichkeit und die Linearität des Durchflusses. Bei Dieselkraftstoffsystemen ist der Einbau problematisch und es gibt erhebliche Störeinflüsse. Um diese zu kompensieren wäre ein hoher Entwicklungsaufwand erforderlich.
- Bei der Kunststoffauswahl ist die Kraftstoffverträglichkeit zu beachten. ABS hat sich bewährt.
- Bei der Lagerung des Flügelrades ist Zapfenlagerung zu bevorzugen.
Der VEB Meßgerätewerk Beierfeld produzierte den Flügelradgeber in leicht abgewandelter Form mit einer Momentanverbrauchsanzeige für den Einsatz in den Fahrzeugen Trabant und Wartburg.
Im Volksmund wurde die Momentanverbrauchsanzeige „Mäusekino“ genannt. Je höher der Kraftstoffdurchfluss war, desto mehr LED leuchteten in der halbrunden Anzeige. So sollte zur sparsamen Fahrweise anregt werde. Ein Politikum – jeder Fahrzeughersteller mußte einen Beitrag zur Kraftstoffeinsparung nachweisen.
Kurios war doch das große Interesse des Einsatzes in Schiffsdieselanlagen. Unser ganzes Team wurde deshalb von der Schwedenfähre 1987 auf das Schiff eingeladen. Wir versuchten eine Messeinrichtung im Bypass einzurichten. Das hat sich aber nicht bewährt – Schiffsdiesel ist zu schmutzig und die Messungen über Bypass zu ungenau. Aber der Schiffsausflug hatte allen sehr gefallen. Zu bemerken ist die Tatsache, dass unsere Techniker von Grenzsoldaten mit Maschinenpistolen begleitet wurden.
unsere Veröffentlichung:
Der Kraftstoffverbrauchsmesser KVM-1 in Serienproduktion; Steuer, D; Treufeld, E. – In: VESK-Informationen Dresden 14 (1980) 6. S 43-51