Suche
Suche Menü

TSD 12.10.2018

Vor dem Vergessen bewahrt – Taxicomputer BOTAX 80 in der DDR

Dr. Ing. Treufeld: Mitteilung zur Übergabe des Taxicomputers BOTAX 80 am 12.10.2018 an Technische Sammlungen

Warum wurde in der Chronik der DDR 1985 die breite Einführung des Taxicomputers BOTAX 80 als besonderes Ereignis hervorgehoben?

Weil der Taxicomputer BOTAX 80 als besondere wissenschaftlich -technische Leistung ausge­zeichnet wurde. Weil es mit dem BOTAX 80 erstmals seit 1951[1] möglich war, eine saubere Geschäftsgrund­lage für die Taxifahrer und das Taxiunternehmen herzustellen – so wie sie z.B. beim Gemüsehändler die geeichte Waage und die Registrierkasse ist. 

Wieso dauerte dies in der DDR 34 Jahre? Taxameter gab es ja schon vor dieser Zeit weltweit.

Weil die Preisverordnung so kompliziert war, dass sie mit den damals üblichen Taxametern nicht realisiert werden konnte. Das Preissystem war wie in Beton gegossen und durfte  nicht angepasst werden. Alle Versuche einen passenden Taxameter zu entwickeln, scheiterten daher.

Was bedeutete das für Taxifahrer und Unternehmen?

Der Aufwand für die korrekte Abwicklung des Taxigeschäfts war sehr groß, die Kontrolle sehr schwierig und für den Taxikunden nicht transparent.  Der Taxifahrer musste nach jeder Fahrt Fahrkilometer, Wartezeiten, Preisbestandteile und Endpreis in einem Bericht protokollieren. Die Taxiunternehmen mussten die Berichte und Einnahmen überprüfen, Leistungen erfassen in einen Gesamtbericht übertragen, betriebswirtschaftlich aufarbeiten usw. Außerdem mussten sie aufwendige Kontrollen durchführen, um möglichen Betrug zu unterbinden.

Der Einsatz des Taxicomputers BOTAX 80 war eine Zäsur!

Der Ablauf des Taxigeschäfts wurde rationalisiert, Rechtssicherheit für Fahrer und Unterneh­men gegeben, für Taxikunden Vertrauen und Transparenz. Betrug wurde weitgehend ausgeschlossen.

Wieso war der Taxicomputer BOTAX 80 eine besondere wiss.-technische Leistung?

Ende 1980 wurde im Funkwerk Erfurt erstmals das Mikroprozessorsystem U880[2] vorgestellt. Mitarbeiter des Wissenschaftlich Technischen Zentrum (WTZK) erkannten frühzeitig das innovative Potential der Mikroprozessortechnik. Zusammen mit Mitarbeitern der Applikations­abteilung des Funkwerks Erfurt wurde 1980 ein mikroprozessorgesteuertes Funktionsmuster Taxameter realisiert. Mit diesem funktionsfähigen Gerät konnte nachgewiesen werden, dass es nun möglich war, einen Taxicomputer  für die DDR zu entwickeln. 1981 erhielt das WTZK hierzu den Auftrag und die finanziellen Ressourcen. Die Entwicklung unter Leitung von Dr. Eberhard Treufeld dauerte von 1981 bis 1984. Von Anfang an hat das Entwicklerteam des WTZK Taxi­unter­nehmen und Taxifahrer in die Entwick­lung des BOTAX 80 einbezogen. Es war eine sehr positive Erfahrung wie aufgeschlossen und mit welchem Engagement sich diese beteiligten. Dabei lief es nicht immer so glatt. Für den Einsatz von Mikroprozessorsystemen in Kraftfahr­zeugen gab es noch keine Erfahrungen und so musste das Team sehr schmerzhaftes Lehrgeld bezahlen. Bei der Erprobung stellten wir fest, dass elektromagnetische Störungen z.B. durch Funken an der Oberleitung von Straßenbahnen und Störspannungen im Fahrzeugbordnetz erhebliche Fahrpreisänderungen bzw. Ausfälle der Elektronik verursachten, die Alterung von Pufferbat­terien verursachte Datenverlust, Kälte, Hitze, Feuchte, Korrosion und Schwingungen beeinträchtigten die Zuver­lässigkeit und wir mussten es gegen Manipula­tions­versuche schützen. Das Wasser stand dem Team oft bis zum Halse. Letztlich kon­nte das Team alle Probleme lösen und ein Produkt schaffen, das unter widrigsten Umge­bungs­­­bedin­gungen zuverlässig arbeitet. Vom Eichamt der DDR erhielt der BOTAX 80 die Zulassung. Vom Produzent dem Wissenschaft­lich Technischen Produktions­zen­trum Meiningen wurden insgesamt 12.000  Geräte produziert. 

Dank an Dr. Andreas Kretschmer und Dipl.-Ing. Ralf Nerlich, die mit viel Mühe ein altes Gerät wieder funktionsfähig machten und als Ausstellungsstück den Technischen Sammlungen zur Verfügung stellten und es so vor dem Vergessen bewahrten.


[1] Preisverordnung Nr. 185 – Verordnung vom 6.9.1951 über die Preise für die Beförderung von Personen in Kraftdroschken (Gbl. II Nr. 21)

[2] Das Mikroprozessorsystem U880 entsprach dem System Z80 der US-Firma ZILOG